Das kleine Chaos

chaotische Geschichten

Die Schneeflockenreise ❄️

Hoch oben am Himmel, wo sich die Wolken sammeln und der Wind leise Lieder singt, begann die Reise einer kleinen Schneeflocke. Sie war nicht größer als ein Staubkorn, aber ihr Herz war voller Vorfreude. Sie hatte schon so viel von der Welt unten auf der Erde gehört und konnte es kaum erwarten, ihren eigenen Weg dorthin zu finden.

„Endlich bin ich da“, dachte die Schneeflocke, als sie sich von der Wolke löste und langsam in die Tiefe sank. Die Luft um sie herum war frisch und kalt, und sie spürte, wie der Wind sie sanft hin und her schaukelte. Sie drehte sich im Kreis und betrachtete die anderen Schneeflocken, die mit ihr unterwegs waren. Sie waren alle so einzigartig – jede ein kleines Kunstwerk, das der Wind in die Welt getragen hatte.

„Wer weiß, wohin die Reise geht?“, flüsterte eine der Flocken, die ganz nah bei ihr schwebte. „Vielleicht landen wir im Wald, vielleicht auf einem Dach oder in einem stillen Garten.“

Die kleine Schneeflocke fühlte sich von der Vorstellung, in einem Wald zu landen, angezogen. Sie hatte schon viel von Bäumen gehört – von ihren hohen, knorrigen Ästen und den Geschichten, die sie im Winter erzählten. Die Vorstellung, sich in einem sanften, verschneiten Wald auszuruhen, gefiel ihr.

Doch die Reise war nicht so ruhig, wie sie es sich vorgestellt hatte. Der Wind wurde immer stärker und die kleine Schneeflocke begann sich von ihren Freunden zu entfernen. Sie versuchte, die Richtung beizubehalten, aber der Wind war unberechenbar. Immer wieder drehte sie sich in die andere Richtung, dann wieder hin und her, bis sie schließlich merkte, dass sie sich von allem entfernt hatte.

„Oh nein“, dachte die Schneeflocke besorgt. „Ich habe meine Weggefährten verloren! Wo bin ich nur?“

In diesem Augenblick spürte sie einen leichten Ruck. Einen sanften, aber festen Griff. Sie hatte den Boden erreicht! Und zwar nicht irgendwo, sondern auf einer großen, weiten Wiese. Vor ihr lag ein schneebedeckter Hügel, über den der Mond silbern schien.

„Oh, wie schön ist es hier!“

Die Schneeflocke atmete tief durch, obwohl es nichts zu atmen gab außer der klaren, kalten Luft. Der Mond schien so hell, als wäre er der Stern des ganzen Himmels, der sich über die weite Erde ausbreitete.

Sie sah sich um. Der weite Raum schien unendlich, aber die Schneeflocke fühlte sich plötzlich geborgen. Der Schnee auf der Wiese glitzerte und sie hörte das leise Knirschen der Erde unter der Decke aus Schnee und Eis. In der Ferne hörte sie das leise Rauschen eines Baches, der unter der dicken Eisdecke weiterfloss.

„Vielleicht sollte ich hier bleiben“, überlegte sie und sank noch ein Stück tiefer in die Schneedecke. Aber dann dachte sie an den Wald. Sie wollte die Bäume sehen, von denen alle erzählt hatten. Und sie wollte sehen, wie der Wind die Zweige bog und den Schnee von den Ästen wehte.

Da beschloss die kleine Schneeflocke, ihre Reise fortzusetzen. Sie stieg wieder auf, ließ sich vom Wind tragen und spürte, wie sie höher und höher schwebte. Bald war sie wieder in der Luft, der kühle Wind trug sie zu einem großen, dunklen Wald. Die Bäume standen wie Wächter in der stillen Nacht, ihre Zweige trugen schon dicke Schneemützen.

„Ah, hier bin ich!“, freute sich die Schneeflocke und glitt zwischen den Zweigen hindurch. Die Bäume schienen zu flüstern, als der kühle Wind sie einhüllte.

Sanft landete die Schneeflocke auf einem der Zweige. Der Schnee hatte sich bereits zu einem weichen, weißen Teppich auf dem Boden ausgebreitet, und der Wald war in eine ruhige, fast magische Stille gehüllt.

„Was für ein wunderschöner Ort“, dachte die Schneeflocke. „Die Bäume sehen aus, als könnten sie Geschichten erzählen. Vielleicht sind sie die wahren Hüter der Geheimnisse des Winters.

In diesem Moment spürte die Schneeflocke, wie sie sich immer mehr mit dem Baum verband. Sie war ein Teil des Waldes geworden, ein winziges, aber unverzichtbares Puzzleteil in der großen Winterwelt.

„Jetzt weiß ich, warum alle von den Bäumen sprechen“, flüsterte sie. „Sie sind das Herz dieses Waldes, so wie ich jetzt ein kleiner Teil davon bin.“

Und so blieb die Schneeflocke zwischen den Bäumen, wo sie den Rest der Nacht verbrachte. Sie träumte von anderen Orten und von den Reisen, die sie noch vor sich hatte, aber für den Augenblick war sie glücklich. Sie war dort, wo sie hingehörte – im Winterwald, umgeben vom Flüstern der Tannen und dem sanften Schein des Mondes.

Langsam schloss sie ihre kleinen Augen und schlief ein, während die Welt um sie herum in eine weiße, glitzernde Schneedecke gehüllt war.