Das kleine Chaos

chaotische Geschichten

Der verlorene Engel 😇

Es war eine kalte, sternenklare Nacht kurz vor Weihnachten, als der kleine Engel Liora mit einem fröhlichen Lächeln im Gesicht über die verschneiten Wälder der Erde flog. Ihre Flügel funkelten im Mondlicht wie tausend kleine Sterne. Liora war die Hüterin der Träume für die Kinder auf der Erde und hatte es immer geliebt, ihnen süße und friedliche Träume zu bringen. Doch an diesem Abend geschah etwas Seltsames.

Als sie gerade eine sanfte Brise über die Dächer eines kleinen Dorfes wehen lassen wollte, verlor sie plötzlich das Gleichgewicht. Ihre Flügel, sonst so stark und mächtig, fühlten sich schwer und schwach an. Ehe sie sich versah, stürzte sie in die kalte Nachtluft und landete mit einem leisen Klatschen auf dem gefrorenen Boden.

„Oh nein!“ rief Liora erschrocken. Sie blickte an sich herunter und stellte entsetzt fest, dass ihre Flügel verschwunden waren. „Wie komme ich jetzt wieder in den Himmel?“

Da erinnerte sie sich an etwas, das ihr die älteren Engel beigebracht hatten: Wenn ein Engel seine Flügel verliert, muss er sie selbst wiederfinden – auf einer ganz besonderen Reise, die ihn zu den Wundern der Erde führt. Sie hätte nie gedacht, dass ihr das einmal passieren würde.

Mit einem Seufzer machte sich Liora auf den Weg, entschlossen, ihre Flügel wieder zu finden. Sie war noch nie in der Welt der Menschen gewesen und staunte über die verschneite Landschaft und die funkelnden Lichter in den Fenstern der Häuser. In der Ferne hörte sie das leise Läuten der Weihnachtsglocken und fühlte sich ein wenig hoffnungsvoller. „Vielleicht gibt es hier irgendwo ein Zeichen“, dachte sie.

Ihr erster Halt war der kleine Weihnachtsmarkt im Dorf, wo bunte Lichter an den Bäumen hingen und die Menschen fröhlich Lieder sangen. Liora schlich durch die Buden und betrachtete die glitzernden Tannenbäume, die warmen Decken und die süßen Plätzchen. Doch von ihren Flügeln war nichts zu sehen. Stattdessen traf sie einen freundlichen alten Mann, der ein paar Kinder um sich versammelt hatte.

„Was suchst du, kleiner Engel?“, fragte er lächelnd, als er sie sah.

„Meine Flügel“, sagte Liora traurig. „Ich habe sie verloren und muss sie wiederfinden, bevor die Nacht zu Ende geht.“

Der Mann nickte verständnisvoll. „Vielleicht musst du nicht nur deine Flügel suchen, sondern auch den Zauber der Weihnacht. Denn in dieser Zeit geschehen Wunder, und manchmal findet man, was man verloren hat, wenn man es am wenigsten erwartet.“

Dankbar für diese weisen Worte setzte Liora ihre Reise fort und schlenderte weiter durch das Dorf. In den Straßen war es jetzt stiller, nur das leise Knistern der Schneeflocken war zu hören. Plötzlich hörte sie aus einer kleinen Gasse ein leises Schluchzen. Neugierig ging sie näher und entdeckte ein kleines Mädchen, das allein in der Dunkelheit stand und weinte.

„Warum weinst du?“ fragte Liora leise.

„Ich habe meinen Teddy verloren“, schluchzte das Mädchen. „Er ist mein bester Freund und ohne ihn fühle ich mich so allein.“

Liora hatte Mitleid mit dem kleinen Mädchen. „Ich helfe dir“, sagte sie und flog mit einer schnellen Bewegung durch die Gasse. Nach ein paar Minuten kam sie mit dem Teddybär zurück.

„Hier ist er“, sagte Liora und reichte dem Mädchen das Kuscheltier.

Das Mädchen strahlte vor Freude. „Danke, danke, du bist ein Engel!“

Liora lächelte und nickte. Doch tief in ihrem Inneren spürte sie eine tiefe Veränderung. Etwas hatte sich in ihr bewegt, und plötzlich erinnerte sie sich daran, dass die wahren Wunder oft nicht in den großen Dingen liegen, sondern in den kleinen Momenten – den Momenten der Freundlichkeit und des Gebens. Sie fühlte sich ein wenig mehr wie ein Engel.

Aber ihre Flügel waren immer noch weg.

Mit neuer Hoffnung setzte Liora ihren Weg fort. Auf ihrem Weg durch den Wald kommt sie an einer kleinen Kapelle vorbei. Durch das Fenster sah sie den warmen Schein einer Kerze und spürte die Ruhe, die von diesem Ort ausging. Sie ging hinein und fand sich inmitten von Gebeten und Gesängen wieder.

Ein alter Priester, der in einer Ecke saß, sah Liora und winkte sie zu sich. „Suchst du etwas, meine Kleine?“

„Ich habe meine Flügel verloren und weiß nicht, wie ich sie zurückbekomme“, sagte Liora leise.

Der Priester lächelte weise. „Manchmal“, sagte er, „findet ein Engel seine Flügel nicht in der Ferne, sondern in seinem eigenen Herzen. Sie sind nicht nur ein Geschenk des Himmels, sondern auch der Liebe und der Hoffnung, die wir in der Welt säen“.

Liora dachte lange über diese Worte nach, und als sie schließlich aus der Kapelle trat, spürte sie, dass sie ihre Flügel nicht mehr zu suchen brauchte. Sie hatte den wahren Sinn ihrer Reise verstanden – es waren nicht die Flügel, die sie zu einem Engel machten, sondern die Liebe und das Gute, die sie in der Welt verbreitete.

Gerade als sie diese Erkenntnis ganz in ihrem Herzen spürte, hörte sie ein leises Rauschen. Ihre Flügel, groß und strahlend, erschienen plötzlich wieder an ihrem Rücken, so leicht und kraftvoll wie zuvor. Sie fühlte sich vollkommen.

Mit einem glücklichen Lächeln breitete Liora ihre Flügel aus und flog in den Himmel, den weiten, funkelnden Nachthimmel, bereit, wieder die Träume der Kinder zu beschützen – mit einem Herzen, das für immer vom Zauber der Weihnacht erfüllt ist.